Kochen, Nazis, Wien

Kochen, Nazis, Wien

Elektropost vom 20.10.2023

Lesen

Jetzt als Taschenbuch in einer überarbeiteten und aktualisierten Version: "Das Buch Alice" von Karina Urbach

Ich möchte das und irgendwie auch die aktuellen Ereignisse zum Anlass nehmen, dieses Buch aufs Wärmste zu empfehlen. Zumal es gleich drei meiner privaten Forschungsschwerpunkte zusammenbringt: Kochen, die Nazis und Wien.

Karina Urbach erzählt hier vom Schicksal ihrer Großmutter, die Anfang der 30er Jahre eine Kochschule (wenn nicht die erste ihrer Art) in Wien betrieb und damit sehr erfolgreich war . Ihr Kochbuch "So kocht man in Wien" wurde 1934 veröffentlicht und wurde zum Bestseller. Nach dem "Anschluß" 1938 wurde ihr Buch "arisiert". Alice Urbachs Pech: Sie war Jüdin. Wenn man von "Arisierung" in Zusammenhang mit Büchern spricht, denkt man zunächst an Bücherverbrennung und das Entfernen von jüdischen Autoren und Autorinnen aus den Bibliotheken. Es war aber noch perfider, wie man am Beispiel von "So kocht man in Wien" erfahren kann. Das Buch wurde weiter verlegt, es wurde nur einem anderen Autor zugeschrieben, einem gewissen Rudolf Rösch von dem man nicht mal so genau weiß, wer er war oder ob es ihn überhaupt gab. Es verkaufte sich in der "arisierten" Form weiterhin blendend. Mit exakt denselben Rezepten, denselben Fotos, dem nahezu identischen Aufbau von Alice Urbach. Nur ein paar kleine nazigerechte Änderungen nahm man vor. Z.b. vermied man es jetzt von der Wiener Küche als internationaler Küche mit verschiedensten Einflüssen zu sprechen. Braune Soße halt! Nach dem Krieg, als sich Alice Urbach nach turbulenten Zeiten in den USA wiederfand, erwartete sie eigentlich ihre Rechte zurückzubekommen.

Aber der Verlag erfand einige Hindernisse, die das bis zu ihrem Tod verhinderten und verdiente weiter Geld mit ihrem Buch. Sie hätte klagen können. Aber wie klagt man ohne Geld? Und wie klagt man in einer deutschen Nachkriegsjustiz, in der vielerorts immer noch dieselben Richter tätig waren, die schon die Enteignungen des Gangsterregimes abgesegnet hatten? Und so handelt das Buch nicht nur von Alice Urbachs Geschichte, sondern erzählt von vielen anderen Dingen, mit denen (nicht nur) die Famile Urbach konfrontiert war. Von der Ermordung älterer Damen, weil Nazikarrieristen schlicht ihre Wohnungen wollten. Von der Absurdität, dass in England Deutsche während des Kriegs interniert wurden. Die meisten davon Flüchtlinge aus Nazideutschland. Von der restriktiven und überbürokratischen Einwanderungspolitik der USA, die indirekt vielen deutschen und österreichischen Juden das Leben kostete, weil sie einfach nicht rechtzeitig rauskamen. Vom unbelehrbaren Otto Normal, der im zerstörten Nachkriegswien steht und den Alliierten die Schuld gibt an der Katastrophe. Vom Kabarettisten Fritz Grünbaum, von dem überliefert ist, dass er im KZ Dachau, nachdem die Essensrationen mal wieder noch spärlicher wurden gesagt haben soll: "Wenn man kein Geld hat, soll man sich halt keine Gefangenen leisten." Grünbaum starb 1941 in Dachau. Die Geschichte mit arisierten Büchern steht jedenfalls erst am Anfang, bald 80 Jahre nach Kriegsende. "Das Buch Alice" ist ein sehr gelungener Beitrag zum Verständnis der NS-Zeit und Nachkriegsdeutschlands. Es sollte eigentlich ab sofort Pflichtlektüre an den Schulen werden. Nicht zuletzt auch, weil es sich sehr packend und flüssig liest.

"Das Buch Alice" ist 2021 bei Ullstein erschienen, gebunden für EUR 24,00 und jetzt neu überarbeitet als Taschenbuch für EUR 12,99.

Hören und Sammeln

Ab heute gibt's das neue Album von der Band über die Paul McCartney zu sagen pflegt: Nicht schlecht für eine Rhythm'n'Blues Coverband. Diesmal spielt er sogar mit auf dem neuen Werk der Rolling Stones "Hackney Diamonds", das letzte Album auf dem auch Charlie Watts zu hören ist. Wir haben hoffentlich ausreichend von der limitierten Indie Edition "Transparent Diamond" erhalten. Noch ist die Lage etwas unübersichtlich. Bestellungen nehmen wir gern weiter entgegen oder man schaut einfach rein in unseren Laden. In der letzten Elektropost hatte ich zudem senilerweise den 21.10. als Veröffentlichungstag genannt. Ich weiß nicht warum, evtl. hatte ich noch den Kalender vom letzten Jahr.

Den gleichen Fehler hab ich auch für das Taylor Swift Album 1989-Taylors Version gemacht. Sonderedition für Indieläden in Farbe! (...und was ich gemeinerweise noch verschwiegen hatte: mit einem Bonustrack!) So come on you Swifties. Noch kann man sich ein Exemplar sichern. Erhältlich ab nächster Woche: 27.10.!! Und nicht erst am 28.10.

Asterix 40

Am 26.10. (Datum stimmt!) erscheint der neueste Asterix - "Die Weiße Iris". Der mittlerweile 40. Band. Es ist der Erste, den der neue Autor Fabrice Caro, mit Künstlernamen Fabcaro zusammen mit dem Zeichner Didier Conrad herausgibt. Der 49-Jährige löst Jean-Yves Ferri ab, der seit 2013 als Texter für die Asterix-Texte verantwortlich war. Fabcaro ist in Frankreich sehr erfolgreich. Sein Comic "Zaï zaï zaï zaï" verkaufte sich mehr als 180.000 Mal. Man darf also gespannt sein.... Den Asterix gibt es als Heft für nicht ganz 8 Euronen oder in der schicken gebundenen Version, besonders als Geschenk geeignet für EUR 13,50. Auch das französische Original gibt's bei uns!

Konzerte im Stadttheater

Ante portas:

Tim Allhoff am Samstag 28.10., supported von Tom Jahn

Monika Roscher Big Band am Sonntag, 05.11.

Leyla McCalla am Samstag 11.11.

Vienna Rest In Peace mit Fritz Ostermeyer am Samstag, 18.11.

und

Silje Nergaard mit Espen Berg am Donnerstag, 07.12.

Infos, Tickets, Reservierungen: stadttheater-landsberg.de


Statt einer Playlist gibt's heute eine Leseliste mit weiteren Buchtipps. Da wir ja das sind, was man zeitgemäß einen kuratierten Laden nennt, also eine Buchhandlung/ein Plattenladen bei dem die Vorauswahl in erster Linie nach qualitativen Maßstäben erfolgt, könnte man natürlich stets so gut wie alle Bücher, alle Platten, die wir im Programm haben empfehlen. Trotzdem kann man ja mal das ein oder andere hervorheben. Somit hier also Bücher, die alle bereits vom Discy Team gelesen wurden, wenn auch nicht unbedingt immer von allen. Im Gegensatz zur Playlist gibt es diese LIste mit Links. In der Regel zu Verlagen mit Klappentext und Blick ins Buch. Alle weiteren Fragen beantworten wir gerne. Wer was haben will, kommt aber gerade nicht nach Landsberg: Wir versenden! Portofrei....! Mail oder Anruf genügt.

Joachim B. Schmidt - Kalmann und der schlafende Berg

Max Porter - Shy

A. L. Kennedy - Als lebten wir in einem barmherzigen Land

Rebecca Makkai - Ich hätte da ein paar Fragen an Sie

Salman Rushdie - Victory City

Alexei Salnikow - Petrow hat Fieber

Percival Everett - Erschütterung

Dennis Lehane - Sekunden der Gnade

Teresa Präauer - Kochen im falschen Jahrhundert

Arno Geiger - Das glückliche Geheimnis

David Graeber & David Wengrow - Die Anfänge (Taschenbuch ab Januar)

Ursel Bäumer - Louise

Yves Ravey - Taormina

Wolf Haas - Eigentum

Richard Osman - Ein Teufel stirbt immer zuletzt

Milena Michiko Flasar - Oben Erde, unten Himmel

Éucric Vuillard - Ein ehrenhafter Abgang

Esther Kinsky - Rombo

Ken Mogi - Nagomi

Line Hoven und Jochen Schmidt - Paargespräche

Lee Miller - Fotografien

Friedemann Karig - Die Lügnerin

Rumaan Alam - Inmitten der Nacht

Heinrich Steinfest - Gemälde eines Mordes Frau Wolf und Cheng ermitteln

Christopher Isherwood - Das Denkmal

Solvej Balle - über die Berechnung des Rauminhalts I & II

Elena Fischer - Paradise Garden

Emma Cline - Die Einladung

Jonathan Coe - Bournville

Mick Herron - Joe Country

Monika Helfer - Die Jungfrau

Eva Lohmann - Das leise Platzen unserer Träume

Wir sehen uns!