Die Discytalisierung

Die Discytalisierung

Elektropost vom 25.06.2021

Ich gehöre zu den Menschen, die froh darüber sind, dass noch nicht jeder Bereich des täglichen Lebens durchdigitalisiert ist. Ich kommuniziere grundsätzlich lieber mit Menschen, denn mit Automaten und ich schätze es, wenn ich mir nicht ständig Passwörter merken muss oder mein Leben gar zum Stillstand kommt, sollte ich mal das Handy zu Hause vergessen haben. Auch finde ich es gut, wenn ich meine Haustüre noch selber aufsperren kann, mein Auto nicht mit mir spricht und ich nicht Nutzer der App PeePal sein muss, die mich nachts um drei aufweckt, um mir mitzuteilen, dass ich schon seit 6 Stunden nicht mehr auf Toilette war.

Trotzdem bin ich kein fundamentaler Gegner des technologischen Fortschritts. Auch halte ich Bequemlichkeit nicht grundsätzlich für eine Todsünde. Waren "im Internet" zu bestellen und ähnliche Annehmlichkeiten zu nutzen, macht aus dem Menschen allein noch keinen schlechten... Ich finde es auch höchst problematisch, wenn man den Kunden mittels Kaufentscheidung ständig Gewissensfragen auferlegt. Bewusst durchs Leben zu gehen und sich hin und wieder klar zu machen, dass der Bäcker ums Eck nur dann existiert, wenn er genügend Kundschaft hat, sollte dabei selbstverständlich sein. Auch schadet es nicht, sich über die Qualität der angebotenen Backwaren im Klaren zu sein und hin und wieder einen Gedanken daran zu verschwenden, warum der Bäcker ums Eck den gleichen Namen hat wie zigtausend andere Bäckereien und das Personal ständig wechselt.

Nun, man weiß worauf ich hinaus will. Das Problem ist nicht "das Internet" im Gegensatz zu "Tante Emma". Auch nicht Gut gegen Böse! Das Problem liegt in Marktmachtkonzentration. Wenn es nur noch eine Bäckerei gibt, nur noch einen Internetversender, nur noch "The Shop" dann haben wir verkackt. Gefragt ist hier die Politik und im besonderen das Kartellrecht. So langsam beginnt auch der Durchschnittspolitiker darüber nachzudenken, ob allein "niedrige" Preise das Allheilmittel sind, oder ob man nicht hin und wieder einem Angebot aufgesessen ist, das man nicht ablehnen konnte (vgl Der Pate 1-3). Den aktuellen Stand zum Thema Amazon und einen Ausflug in die Geschichte, warum es überhaupt so weit kommen konnte, liefert ganz gut dieser Artikel hier. Oder, wer's gerne von einem etwas konservativeren Medium hätte, dieser sehr differenzierte Beitrag in der NZZ. Vertiefen könnte und sollte man das noch mit diesem Buch: Matt Stoller - Goliath

Man kann natürlich auch die jüdische Weltverschwörung oder die Blaumiesen grundsätzlich für sämtliche Probleme der Welt verantwortlich machen. Besser ist sowieso, wenn immer die anderen schuld sind. Ich glaube ja, dass man komplexe Themen statt mit Simplifizierung auch ganz gut mit den Werkzeugen der Ethik und der Philosophie angehen könnte. Aber wer lieber fein raus sein möchte, sucht sich halt gerne eine Lieblingsideologie oder Religion. Ich schlage gemeinerweise allerdings vor, dabei eine der verschiedenen christlichen Wertegemeinschaften zu konsultieren, denn hier kann und muss man sich an den Fragen nach Schuld und "Erbsünde" trefflich abarbeiten. Mit einer Ausnahme: die anglikanischen Strömungen in den USA, in denen es fast ausschließlich darum geht Ausreden zu finden, wie man noch reicher werden kann und dabei die Leichen, die man während seiner Raubzüge zurücklässt, rechtschaffen ignoriert. Vielleicht bietet der Buddhismus noch etwas Orientierung, aber da verlassen wir das Feld der Religionen ja fast schon wieder und landen über Umwege dann doch gleich wieder bei der Philosophie. Und, wir wissen es doch: selbst der Dalai Lama rät uns Westlern, sich erstmal um den eigenen Kram zu kümmern, bevor man ihm die Bude einrennt und palettenweise Instant Karma bestellt (jetzt übrigens auch zum Streamen).

Damit beende ich auch dieses Seminar schon wieder und wende mich der schnöden Werbung zu. Denn dies ist der alleinige Zweck dieser Elektropost! Wer bis hierhin aufmerksam dabei war, hat bemerkt, dass ich zu einer Seite namens buchkatalog.de verlinkt habe.

Was hat es damit auf sich?

buchkatalog.de ist eine Dienstleistung eines der sogenannten Barsortimenter des Buchhandels. Das sind die Firmen, die dafür sorgen, dass so gut wie alle lieferbaren Bücher innerhalb von 24 Stunden nach Bestellung in den Buchhandlungen der Republik landen. Es gibt in Deutschland noch sehr viele kleine Buchhandlungen und es wäre schön, wenn das auch so bliebe. Das marktregulatorische Instrument der Buchpreisbindung verhindert in der Buchbranche einen gnadenlosen Unterbietungswettkampf wie er in den meisten anderen Branchen stattfindet. Diesen Wettkampf gewinnt selten der beste Anbieter, sondern schlicht der, der am meisten Geld hat. So ist die gesamte Musikindustrie mittlerweile in der Hand von vollkommen fachfremden Investoren, denen es natürlich um schnöde Rendite in Form von hohen Summen auf dem Kontoauszug geht. Weitere Inhalte sind Mittel zum Zweck oder gar lästig. Und die wenigen Aufrechten in dieser Branche haben einen schweren Stand.
Wollen wir das? Ich nicht! Eine gutstrukturierte Datenbank mit einfachen Bestellmöglichkeiten, die dann am Ende auch der gewählten Lieblingsbuchhandlung (Vorschlag: Discy) zu Gute kommt. Das ist doch was! Der Barsortimenter Zeitfracht (vormals Koch, Neff & Volkmar) hat so eine Plattform geschaffen und das ist eben buchkatalog.de. Hier kann man in erster Linie recherchieren. Im zweiten Schritt auch bestellen. Bestellt man das Buch zu sich nach Hause, erhält die zuvor ausgewählte "Lieblingsbuchhandlung" einen kleinen Anteil vom Verkaufspreis, ca. ein Drittel von dem was bei der zweiten Option "Lieferung des Buches zur Abholung in die ausgewählte Buchhandlung" hängen bleibt. Option eins heißt für die Buchhandlung zwar weniger Einnahmen, aber natürlich auch weniger Aufwand. Option drei ist natürlich immer auch nach erfolgreicher Recherche die Buchhandlung des Vertrauens direkt zu kontaktieren und die Modalitäten zu besprechen. Natürlich stehen wir zu jedem Zeitpunkt für Rat und Tat zur Verfügung.
buchkatalog.de ist allerdings kein sehr gutes Recherchetool, wenn es um Musik geht, nur so nebenbei bemerkt!

Ich halte dies für eine gute Möglichkeit, um unsere Netzpräsenz auszuweiten, ohne den eigentlichen Kern unserer Unternehmung aufzugeben: das Ladengeschäft! Im Gegenteil: es soll ja Menschen geben, die immer noch meinen sie müssen, wenn sie etwas "im Internet" bestellen bei The Shop ordern. Muss man nicht. Es geht auch über die wohlvertrauten lokalen bzw. physisch liebgewonnenen Kanäle.

Wer den Laden in den nächsten Tagen physisch aufsucht, könnte übrigens derzeit über folgende Bücher stolpern:

Ameisig - Charlie Kaufman
Der erste Roman des Oscar premierten Drehbuchautors Charlie Kaufman ("Being John Malkovich")

Barbara Kadletz - Im Ruin
Ein wunderbarer Roman über Trauer, Freundschaft, Musik und Wien. Eine Kneipe wie das Ruin fehlt in Landsberg...

Paula Irmschler - Superbusen
Sas Debüt der "Titanic"-Redakteurin jetzt als Taschenbuch.

Annalena McAfee - Blütenschatten
Die Ehefrau des Schriftstellers Ian McEwan hat mit "Blütenschatten" einen spannenden psychologischen Roman über eine Künstlerin, die ihre Passion über alles stellt, geschrieben.

Hilary Leichter - Die Hauptsache
Für immer Aushilfe. dieser Roman ist eine kluge Parabel auf die moderne Arbeitswelt: originell, rasant, bildstark.

Nick Hornby - Just like you
schneller und witziger Liebesroman über ein ungleiches Paar mit einem Schuss Politik

Heike Behrend - Menschwerdung eines Affen
Die Frage, wer bei einer Feldforschung eigentlich wen untersucht, begleitet die Ethnologie Heike Behrend seit Anbeginn. Ausgezeichnet mit dem Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse 2021.

Martin Nastassja - An das wilde glauben
Mit 29 Jahren brach sie nach Kamtschatka in Nordostasien auf, um eine Weile bei ewenischen Rentierzüchtern zu leben. Sie wird von einem Bären gebissen und schwer verletzt. In aufwühlenden Worten erzählt sie von der Geschichte dieses Kampfes und von ihrer Genesung.

Helen Macdonald - Abendflüge
Helen Macdonald sieht in der Natur, was anderen verborgen bleibt. In ihrem lange erwarteten neuen Buch nimmt sie uns mit zu den Abendflügen der Mauersegler, erzählt von wilden Tieren, Mythen und Märchen, und führt in versteckte Lebensräume, die heute im Verschwinden begriffen sind

Friedrich Ani - Letzte Ehre
Verschwunden ist die 17-jährige Finja. Kommissarin Fariza Nasri hilft einer gequälten Frau, ihre Stimme zu finden.

Stanislaw Lem - Sterntagebücher/ Der futurologische Kongress / Best of Lem
Zum Jubiläum sind Neuauflagen der Klassiker im Taschenbuchformat erschienen

John Burnside - Über Liebe und Magie - I put a Spell on you
Gnadenlos ehrlich betrachtet John Burnsides in ?Über Liebe und Magie? einen einsamen Menschen ? sich selbst.

Colm Boyd - Book of Songs - Die Playlist für jede Lebenslage
Die wahren Geschichten hinter den 500 ultimativen Hits der Popmusik


In der Kinderbuchabteilung liegt zb das hier herum:

Katharina von der Gathen und Anke Kuhl - AnyBody - das große ABC von unserem Körper-Zuhause
Mein Körper, mein Freund: das Lexikon zum Staunen, Lachen, Nachdenken und Wohlfühlen ab 8 Jahren

Olivier Tallec, Liz Garton Scanlon und Audrey Vernick - Fünf Minuten
Wie lang sind fünf Minuten? Kinderbuch ab 4 Jahren

James Brown und Helena Hunt - Das große Kunst-Sammelsurium
Keramik, Kubismus, Kunstwerke: Von der Höhlenmalerei bis zur Pop Art ist es ein weiter kreativer Weg. Großformatiges Sachbuch für Kinder ab 10 Jahren

Dr. Dominic Walliman & Ben Newman - Professor Astrokatz - Reise in die Tiefsee
Umfangreiches Sachbuch im Retrostil für Kinder ab 7 Jahren

Michael Gerard Butler - Dinge, die so nicht bleiben können
Das Buch erzählt von Jugendlichen, die Schlimmes erlebt haben ? und trotzdem an das Gute glauben. LUCHS-Preis von ZEIT und Radio Bremen Februar 2021 ab 13 Jahren

Zoran Drvenkar - Pandekraska Pampernella
Zoran Drvenkar schreibt preisgekrönte Thriller und Krimis ? aber auch witzige Kinderbücher. Zusammen mit einem Chronisten und ihrem Leibwächter begibt sich Prinzessin Pandekraska Pempernella auf die Suche eine beste Freundin zu finden. Ab 10 Jahren

Es kann natürlich weiterhin immer auch alles direkt bei uns bestellt werden. buchkatalog.de ist nur ein zusätzlicher Service.

Unsere Öffnungszeiten sind derzeit wie folgt:

freitags von 10:00 bis 18:00 Uhr und jeden Samstag von 9:30 bis 18:00 Uhr.

Außerdem: Mittwoch Vormittag von 10:00 bis 14:00 Uhr und Donnerstag Nachmittag von 14:00 bis 18:00 Uhr (an diesen Tagen finden jeweils am Hauptplatz nur eine Minute von uns entfernt Wochenmärkte statt) Wir sind aber auch an allen anderen Zeiten fast immer vor Ort und arbeiten Backstage. Wer also an Zeiten kommen möchte, an denen der Laden geschlossen ist: je eher wir das wissen, desto einfacher ist es das zwischen zu schieben. Wir bitten aber um Verständnis, wenn es auch mal nicht gehen sollte. Nur montags ist in der Regel tatsächlich Ruhetag. Individuelle Montagtermine daher nur im Ausnahmefall. Das gleiche gilt für Sonn- und Feiertage. Möglich ist es aber grundsätzlich schon.

Warum machen wir das nun so und nicht anders? Weil wir Pufferzeiten brauchen. Nicht nur zum Pakete packen, sondern auch für Recherche und dergleichen. All die schönen Bücher, Schallplatten, CDs, Filme etc. regnet es nicht einfach so herein. Auch wir brauchen Zeit und Muse für die Auswahl. Wir kaufen nicht unkritisch jeden Mist. Wir kuratieren, wie man so schön sagt. Außerdem möchte ich als Head Honcho des Discy keiner Mitarbeiterin zumuten, sechs Tage die Woche von früh bis spät Maske tragen zu müssen.
Und dann kommt ja auch noch ein unsäglicher Berg an Bürokratie dazu, der Woche für Woche abgearbeitet werden muss. Es braucht Pausen zum Luft holen, im wahrsten Sinne des Wortes. Also sind an vielen Stellen kreative Lösungen in beiderseitigem Interesse gefragt. Darum bemühen wir uns jeden Tag.